Freitag, 21. Juni 2013

Ein absurder Aufbruch


Die Quellen der kirchlichen Lehre (und also des Glaubens dieser Kirche und ihrer Glieder) sind die Bibel und die Tradition. Bei der Tradition kann man drei Teile Unterscheiden: 1. Die Lehre der Kirchenschriftsteller, besodners der Kirchenväter und Kirchenlehrer, 2. die Lehrtradition, v.a. in Form von Konzilien, päpstlichen Schreiben oder Katechismen, und schließlich 3. die Liturgie.

Die Liturgie ist eine Quelle der Lehre der Kirche. Sie ist zwar keine Offenbarungsquelle, aber sie ist doch hinreichend insofern, als man, theoretisch, allein anhand der Gesamtheit der approbierten liturgischen Texte (Gebete, Präfationen, Anrufungen, Segensformeln, Hymnen, Antiphonen etc.), ohne Katechismen oder sonstetwas zu konsultieren, die gesamte Glaubenslehre erfahren könnte.
Die Kirche betet, was sie glaubt und sie glaubt, was sie betet.

Das Zentralmassiv dieser liturgischen Texte war und ist das Messbuch der römisch katholischen Kirche. Weshalb sich ja auch Bonifatius, der Apostel der Deutschen, sehr darum bemühte, ein römisches Messbuch mit auf seine Mission zu nehmen, und warum Karl der Große mittels des römischen Missales nicht wenig zur Vereinigung des Abendlandes beitrug. (Leider enthält das aktuelle deutsche Messbuch zahlreiche gravierende Fehler [z.B. dies], weshalb schon seit Jahrzehnten an einer Neuübersetzung gearbeitet wurde, welche inzwischen abgeschlossen und von Rom abgesegnet ist.)

Der Text des aktuellen Freiburger Ungehorsamsaufrufs (s. hier) - der, obzwar er sich nicht so nennt, mit seiner "Befürchtung einer Spaltung" jedoch wenig subtil genau mit dieser Spaltung unverwunden droht - dieser Text offenbart in ungeahnter Freizügigkeit etwas Erstaunliches: Die Existenz einer eigenen Religionsgemeinschaft mitten in der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Katholische Kirche in Deutschland".

Eine andere Erklärung will mir nicht einfallen, wenn die Unterzeichner des Aufrufs fabulieren, dass sie "hin­ter [den Textformulierungen] nur schwer ste­hen kön­nen", und sie vollmundig bekunden: "Wir kön­nen nur das glaub­wür­dig wei­ter­ge­ben, was wir selbst glauben."
Das heißt doch aber nichts anderes als: Das was im Messbuch der römisch katholischen Kirche (im Original!) steht, das glauben wir nicht.
Oder irre ich mich?

Liebe Aufbrüchler: Wenn ihr nicht glaubt, was die Kirche glaubt, dann seid so ehrlich und haut endlich ab! Niemand zwingt euch, dieser Kirche anzugehören.

Das Ganze ist, wiedermal, ein lächerliches Schauspiel. Hier geht es nicht um Wahrheit oder Redlichkeit. Es geht nur um das Brüllen an sich. Es ist der neue Konservativismus, der sich an das "Erreichte" klammert mit aller Macht und der kein Iota aufzugeben gewillt ist von der schönen Bausatz-Wunderwelt, die man sich geschaffen hat. Dass man überhaupt so sehr auf dieser einen speziellen Übersetzung des Messbuches beharren kann, zeigt so einiges:
Es offenbart einen bemerkenswerten Provinzialismus, der sich in einem Nischenglauben äußert, der nur im Geltungsbereich dieser Übersetzung anzuztreffen ist. Und es offenbart die Unzulänglichkeit dieser Übersetzung, da sie offenbar einen solchen Nischenglauben ermöglicht, und also die Notwendigkeit einer Korrektur, sprich: die Einführung der neuen Übersetzung.

Die Unterzeichner stellen sich selbst ins Abseits der Weltkirche. Diese schreitet ohne sie weiter.
Und die Dreistigkeit und Hinterlist trieft aus jeder Pore. Der den Text des Aufrufs abschließende "Vorschlag" der Einführung einer "Studienausgabe" ist ziemlich plumpe Augenwischerei: Seit Jahren zögern die deutschen Bischöfe die Implementierung des neuen Messbuches hinaus. Nun ist es endlich approbiert und fertig, und vermodert schön weiter in irgend einer Schublade. (Nicht einmal die Herausgabe eines Überklebsels "für viele" bringt man fertig, obwohl es vor einigen Jahren völlig problemlos möglich war, alle "Brüder" und "Söhne" in altehrwürdigen Liedern im Gotteslob zu überkleben, um auch ja nicht diskriminierend zu erscheinen... Kulturzensur ist nichts Neues.)
Jetzt eine Studienausgabe zu verlangen und einen "offenen Dialog" führen zu wollen bedeutet nichts anderes als: Das ganze Hickhack der letzten Jahrzehnte nochmal von Vorne zu beginnen. Es kann eigentlich nur die eine Agenda dahinter stehen: Verzögerung.
Direkt ins Gefängnis, nicht über Los.
Dass man keinen Dialog will, sondern an der bestehenden, nicht selten verfälschten Übersetzung festhalten will und v.a. das Wesen der Eucharistie (weiterhin) beharrlich leugnen will ("Opfersprache"), stellt der Text ja ohnehin offen heraus. Diese Leute haben m.E. den Boden des katholischen Glaubens verlassen.


Ich kann es nur als Realsatire werten, dass man sich zwar mit "Ein notwendiger Aufbruch" übertitelt, man sich dann aber die Verhinderung eines Fortschreitens (das gerade die ganze Weltkirche vollzieht!) zum Ziel setzt. Brecht auf, indem ihr bleibt, wo ihr seid!


Nachtrag (29.06.):
Inzwischen sind es 146 Unterzeichner. Scheint nicht viel mehr zu werden. Der Trend im Vergleich mit den vorherigen Initiativen ist merklich rückläufig (beim Memorandum waren es ca. 300, beim Ungehorsamsaufruf vom letzten Jahr um die 200). Zu beachten sind auch die vielen emeritierten und pensionierten Unterzeichner...

Zum Staunen kann es demgegenüber verführen, wenn man bemerkt, dass fast ein Fünftel der Unterzeichner ständige Diakone sind. Warum Staunen? Naja: Mit welchem Recht unterzeichnen die denn eigentlich diese Erklärung? Man kann die Diakone hierbei eigentlich nur als Stimmvieh klassifizieren.

In der Erklärung heißt es: "Für uns Pries­ter und Dia­kone wird es besonders schwie­rig, wenn wir Text­for­mu­lie­run­gen benut­zen sol­len, hin­ter denen wir nur schwer ste­hen kön­nen..." Nun zeige man mir bitte diese Texte, die der Diakon aus dem Messbuch zu sprechen hat und hinter denen er nicht stehen kann! Abgesehen von "Geheimnis des Glaubens", "Der Friede sei mit euch" und "Gehet hin in Frieden" gibt es da nämlich nichts... Der Diakon hat nämlich mit dem Messbuch nichts zu tun!
Noch deutlicher kann man Heuchelei (oder Dummheit?) gar nicht in Worte fassen...


Ich bin jedenfalls gespannt, was der Erzbischof jetzt macht... im grunde ist die Aktion ja bereits dadurch quasi abgesegnet, dass an dem Treffen, aus dem dieses Papier hervorging, die Dom­ka­pi­tu­lare Peter Kohl und Andreas Möhrle sowie der Pressesprecher des Erzbistums, Robert Eberle, anwesend waren (womit man sich auch durchaus brüstet).

3 Kommentare:

  1. Die haben den den 37-seitigen Rechenschaftsbericht (http://www.sankt-georgen.de/leseraum/lohfink2.pdf) des Exsultet-Übersetzers gesehen ...

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  2. Sonderliche Sonderwege sonderbarer Sonderlinge ... Wer das mal schrieb muss an diese Unterzeichner gedacht haben.

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